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WCAG 2.2 – was ist neu?

Digitale Angebote müssen für alle Menschen zugänglich sein, unabhängig von körperlichen, sensorischen oder kognitiven Einschränkungen. Genau das ist das Ziel der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG). Diese international anerkannten Richtlinien definieren, wie Webseiten und digitale Anwendungen gestaltet sein müssen, damit sie barrierefrei genutzt werden können.

Am 5. Oktober 2023 wurde die aktualisierte Version WCAG 2.2 veröffentlicht. Sie ergänzt die bestehenden Vorgaben um neue Erfolgskriterien, die Menschen mit Einschränkungen den digitalen Zugang erleichtern sollen.

Diese Erweiterungen sind nicht nur für öffentliche Einrichtungen relevant, die rechtlich zur Barrierefreiheit verpflichtet sind, sondern auch für Unternehmen. Denn barrierefreies Design bedeutet bessere Nutzerfreundlichkeit, mehr Reichweite, höhere Zufriedenheit und nicht zuletzt rechtliche Absicherung.

Neue Erfolgskriterien der WCAG 2.2 – Das wurde ergänzt:

Die neuen Anforderungen verteilen sich auf drei Konformitätsstufen:

  • Stufe A: grundlegende Anforderungen

  • Stufe AA: erweiterte Anforderungen, oft verpflichtend (z. B. in der EU)

  • Stufe AAA: höchste Stufe, freiwillig, aber empfehlenswert

Insgesamt wurden neun neue Erfolgskriterien eingeführt.

Zwei neue Anforderungen auf Stufe A

3.2.6 Konsistente Hilfe

Wenn auf mehreren Seiten einer Website Hilfefunktionen (z. B. Chat, Kontakt, Hilfe-Seite) angeboten werden, müssen sie immer an derselben Stelle platziert sein.
Warum ist das wichtig?
Gerade für Menschen mit kognitiven Einschränkungen hilft es, sich auf feste Strukturen verlassen zu können. Wer Hilfe sucht, sollte sie leicht finden – ohne sich auf jeder Seite neu orientieren zu müssen.

3.3.7 Redundante Eingabe

Benutzerinnen und Benutzer sollen identische Informationen nicht mehrfach eingeben müssen.
Praxisbeispiel: Wenn in einem mehrstufigen Formular persönliche Angaben gemacht wurden, sollten diese automatisch übernommen werden, ohne dass sie erneut eingegeben werden müssen.
Das spart Zeit und reduziert Fehler.

Vier neue Anforderungen auf Stufe AA

2.4.11 Fokus-Anzeige (Minimum)

Der Tastaturfokus muss immer sichtbar bleiben – auch wenn sich auf der Seite z. B. ein Banner oder Pop-up über andere Elemente legt.
Warum ist das wichtig?
Viele Menschen bedienen Webseiten mit der Tastatur. Wenn der aktuelle Fokus (also die aktive Position) nicht mehr sichtbar ist, ist keine gezielte Navigation mehr möglich.

2.5.7 Ziehbewegungen

Funktionen, die durch Ziehen oder Wischen bedient werden (z. B. Drag & Drop), müssen auch ohne diese Bewegungen nutzbar sein – etwa durch Tippen oder Klicken.
Das sichert die Bedienbarkeit für Menschen mit motorischen Einschränkungen, die keine präzisen Bewegungen ausführen können.

2.5.8 Zielgröße (Minimum)

Bedienelemente müssen groß genug und ausreichend voneinander getrennt sein, damit sie auch mit eingeschränkter Feinmotorik sicher ausgewählt werden können.
Das verbessert die Usability auf mobilen Geräten.

3.3.8 Barrierefreie Authentifizierung (Minimum)

Die Anmeldung oder Authentifizierung darf nicht ausschließlich auf kognitive Leistungen setzen, wie etwa das Lösen einer Rechenaufgabe oder das Merken eines komplexen Passworts.
Alternativen müssen angeboten werden, zum Beispiel:

  • Unterstützung durch Hilfstechnologien

  • Anmeldung über erkennbare Bilder oder Symbole

  • Wiedererkennung eigener Inhalte

  • Auswahlhilfen statt Freitext

Zwei neue Anforderungen auf Stufe AAA

Diese Kriterien sind freiwillig, setzen jedoch besonders hohe Standards in der Barrierefreiheit.

2.4.12 Fokus-Anzeige (Erweitert)

Der Fokusstatus muss immer vollständig sichtbar sein, nicht nur teilweise.

2.4.13 Fokus-Indikator (Kontrast & Größe)

Der sichtbare Fokus muss klar abgegrenzt sein, etwa durch einen zwei Pixel breiten Rand oder einen starken Farbkontrast (mindestens 3:1).
Das erleichtert das Navigieren für alle Nutzerinnen und Nutzer, nicht nur für Menschen mit Einschränkungen.

Ein Kriterium entfällt

4.1.1 Parsing

Dieses Kriterium bezog sich auf die korrekte HTML-Syntax, damit assistive Technologien Seiteninhalte korrekt auslesen können.
Da moderne Browser viele dieser Probleme heute automatisch erkennen und korrigieren, wurde das Kriterium entfernt.

Aber:
Fehlerhafte Syntax kann weiterhin die Bewertung anderer Prüfpunkte negativ beeinflussen, zum Beispiel bei der semantischen Struktur oder bei der Rollenvergabe für Elemente. Eine saubere HTML-Struktur bleibt also unverzichtbar.

Was bedeutet das für Unternehmen?

  • Rechtliche Sicherheit: Wer Webangebote barrierefrei umsetzt, erfüllt gesetzliche Anforderungen und senkt das Risiko von Abmahnungen oder Klagen.

  • Wettbewerbsvorteil: Barrierefreiheit öffnet Angebote für mehr Nutzerinnen und Nutzer, insbesondere Menschen mit Behinderungen und ältere Zielgruppen.

  • Bessere Nutzererfahrung: Klar erkennbare Schaltflächen, einfache Navigation und nachvollziehbare Strukturen kommen allen Besuchern zugute.

  • Zukunftsfähigkeit: Die neuen Richtlinien setzen Standards, die perspektivisch immer häufiger erwartet oder vorgeschrieben werden – besonders im öffentlichen und gemeinnützigen Bereich.

Was haben Nutzerinnen und Nutzer davon?

  • Weniger Barrieren, mehr Zugang zu Informationen

  • Einfachere Bedienung, auch ohne Maus oder Touch-Gesten

  • Mehr Orientierung, Unterstützung und Klarheit beim Navigieren

  • Sichere Nutzung von Formularen, Logins und interaktiven Elementen

  • Inklusive Nutzung digitaler Angebote, unabhängig von Einschränkungen

WCAG 2.2 – ein sinnvoller Schritt nach vorn

Die überarbeitete Fassung der WCAG-Richtlinien bringt konkrete Verbesserungen für viele Menschen und stärkt das Bewusstsein für inklusive digitale Gestaltung.
Sie bietet Entwicklern, Redaktionen und Unternehmen klare Leitlinien, wie Webangebote für möglichst viele Menschen zugänglich gemacht werden können.

Barrierefreiheit ist kein Sonderfall. Sie ist ein Qualitätsmerkmal moderner digitaler Kommunikation.

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